Bunker Hornisse. Ein historischer Ausflug im Sommer 2019

Im Bremer Stadtteil Gröpelingen leuchtet hoch zwischen Weser und Industriehafen ein elegantes weißblaues Gebäude. Es wurde 1968 als Verwaltungsgebäude der Speditionsfirma Lexzau, Scharbau & Co errichtet. Sein aus dem Wasser ragendes Fundament aus mächtigen grauen Betonmauern sollte einst zunächst ein riesiges Dock für den Bau von Schlachtschiffen, dann eine verbunkerte Werft für den Bau von U-Booten werden.

Mitte Juni 2019 führten wir die sehr interessierte Gruppe aus dem Heimatverein Damme auf großen Wunsch über das Gelände des ehemaligen Bunker Hornisse.

Eike Hemmer, Gründungsmitglied von Kultur Vor Ort e.V., brachte 2005 mit Robert Milbradt das Buch heraus: Bunker „Hornisse“ KZ-Häftlinge in Bremen und die U-Boot-Werft der „AG Weser“ 1944/45. Gerne bereitete er das geschichtliche Material für den Rundgang vor. Das ortsansässige internationale Unternehmen LESCHACO war so freundlich, uns auf das Betriebsgelände zu lassen.

Wir haben für Euch ein paar Impressionen von dem sonst nicht zugänglichen Gelände zusammengestellt. Auch möchten wir Euch dieses Stück Bremer Geschichte auf keinen Fall vorenthalten.

Die Kap-Horn-Straße zieht sich lang bis zur Oslebshauser Schleuse, auch wenn es von hier aus keinen direkten Zugang gibt. Wir fahren mit dem Rad die Kap-Horn-Straße entlang bis zur Fassfabrik Krogemann und halten uns dann links.
Hier werden wir wedelnd und laut bellend zur Kenntnis genommen. Hier sind wir richtig. Wir haben einen Blick auf die Avandgard Malz.
Auf den alten Mauern des ehemaligen Bunker Hornisse sitzt das beeindruckende Firmengebäude der Firma LESCHACO. Dank an den Heimatverein Damme für dieses Erinnerungsfoto.
Durchblick Richtung Weser.
Die Ariane! Einst war dieses Modell der Weltrakete Ariane am Space Park aufgestellt,  nun verrottet sie inmitten des satten Grüns.
Sicht auf den Bunker von der Weserseite aus.
Eike Hemmer blickt auf die Oslebshauser Schleuse und die Bremer Industriehäfen.

1938 hatte sich die Kriegsmarine vom Bremer Senat ein Gelände auf dem Kap Horn genannten Landstreifen gesichert. Das im Zeichen der Aufrüstung für den Krieg entworfene Schlachtschiffsprogramm der Nationalsozialisten sah vor, dass die AG Weser zwei dieser Großkampfschiffe bauen sollte. Am 15. August 1939 erfolgte die Kiellegung des ersten dieser Schiffe auf dem Helgen der Werft. Die Arbeiten wurden jedoch nach wenigen Wochen gestoppt, weil man die Werftkapazitäten für den Bau von Zerstörern und U-Booten benötigte. Die Arbeiten an dem Dock auf Kap Horn gingen jedoch noch Jahre weiter. 

Die mächtige Grube des geplanten Baudocks 1939

Dazu wurde das gesamte Baugelände umzäunt. Die beteiligten Baufirmen wie die Firma Hermann Möller aus Wilhelmshaven, Stehmeyer und Bischoff, die Deschimag, August Reiners errichteten Baracken auf dem Gelände. Es entstand eine riesige Baugrube, auf deren Sohle eine Kleinbahn den Transport der Materialien besorgte.

U-Boot-Sektion des Typs XXI am Kran auf der AG Weser

Nach anfänglichen Erfolgen der deutschen U-Boote im Atlantik, denen zahlreiche Schiffe aus den allierten Geleitzügen zum Opfer fielen, wendete sich mit der Entschlüsselung des deutschen Funkcodes und neuen Ortungsmethoden das Blatt. Die deutschen U-Boote erlitten riesige Verluste. Ein neuer  U-Boot-Typ XXI sollte die Wende bringen. Es war konzipiert für lange Unterwasserfahrten mit hoher Geschwindigkeit. Der Bau sollte nach einem neuartigen Verfahren in Sektionen erfolgen.

U-Boote vom Typ XXI auf dem Helgen der AG Weser 1945

Der erste Stapellauf eines U-Bootes vom Typ XXI erfolgte auf der AG Weser am 30. Mai 1944. Von den insgesamt 131 gebauten U-Booten versenkten sich die meisten bei Kriegsende selbst. Andere wurden bei Luftangriffen beschädigt. Eines von ihnen wurden später gehoben und diente der Bundesmarine unter dem Namen „Wilhelm Bauer“ als Versuchsschiff. Es ist heute – stark umgebaut – im Museumshafen von Bremerhaven zu besichtigen.

Hornissebunker 1945

Im Krieg sollte die Fertigung der U–Boote wegen der zunehmenden Bombenangriffe in verbunkerte Werften verlegt werden. Dafür bot sich bei der AG Weser das fast fertige Dock auf der Kap Horn-Landzunge mit seiner Länge von 360 Metern und einer lichten Weite von 60 Metern an. Die Bunker-Decke produzierte man aus Trägern, die die Firm Wayss & Freitag im nahegelegenen Kalihafen herstellte. Solche Träger wurden auch beim Bau des Bunkers Valentin in Farge verwendet. Beim Bunker auf dem Kap-Horn-Gelände musste dafür in der Längsachse des Docks eine Mittelwand eingezogen werden. Die geplante Bunkerwerft hatte den Tarnnamen „Hornisse“. Von ihr ist heute noch ein Teil der Seitenwände, der Decke und die Mittelwand erhalten. Die Verbindung zur Weser erfolgte erst nach dem Krieg.

Zeichnung des Lagers Riespott 1945. Auf der linken Seite das abgetrennte KZ-Außenlager

Mit zunehmender Dauer des Krieges wurden Arbeitskräfte immer knapper. Auch die Rekrutierung von ausländischen Zwangsarbeitern in den besetzten Gebieten sowie der Einsatz von Kriegsgefangenen konnten die Lücken nicht füllen. Als letzte Arbeitskraftreserve sollten in der Rüstungsproduktion deshalb KZ-Häftlinge eingesetzt werden. Auch die AG Weser beschäftigte KZ-Häftlinge. Eines dieser Kommandos war im Lager Schützenhof in Gröpelingen untergebracht. Täglich wurden die Häftlinge unter Bewachung und groben Mißhandlungen durch die Bewacher zur Werft und zurück getrieben. Viele Gröpelinger haben die ausgehungerten Gestalten gesehen. Ein Augenzeuge, später als Arbeiter auf der Klöckner-Hütte beschreibt den Elendszug: Zwei Bewacher mit langen Gummiknüppeln standen an jeder Straßenecke. Sie brüllten „schneller gehen“ und dann schlugen sie mit den Gummiknüppeln auf die Gefangenen ein.  

Für den Umbau des Baudocks auf Kap Horn wurde im KZ Neuengamme ein eigenes Kommando gebildet.  Dieses Kommando aus etwa 1000 Häftlingen brachte man zunächst in einem Lager an der Neuenlander Straße, im November 1944 dann in einem Lager neben der damaligen Norddeutschen Hütte unter. Dieses Lager, als „Osterort“  oder als „Riespott“ bekannt, hatte eine lange wechselvolle Geschichte. 1932/33 mit einigen Baracken für den Freiwilligen Arbeitsdienst errichtet, diente es den NS-Machthabern nach 1933 als Lager für politische Gefangene, nach dem Überfall auf die Sowjetunion als Lager für Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. 1944 wurde ein Teil des Lagers abgeteilt, mit Stacheldraht umzäunt und als Außenlager des KZ Neuengamme unter eigene Bewachung gestellt. Die Häftlinge, die man hier zusammenpferchte, waren etwa zur Hälfte französische Gefangene, die andere Hälfte kam aus der Sowjetunion und osteuropäischen Ländern. Die Häftlinge wurden täglich mit einem Schleppkahn, den ein kleiner Schlepper zog, zur Baustelle befördert. Eine Augenzeugin, die als junge Frau in einem Büro auf der Baustelle arbeitete, beschrieb den Transport: Die Gefangenen mussten dichtgedrängt in dem Schleppkahn stehen, „wie wenn man Streichhölzer nebeneinander stellt“. In der Nähe der Baustelle wurden die Häftlinge an einem Ponton an Land getrieben. Unter Geschrei und Prügeln der Kapos.

Die Bewacher für das Kommando „Hornisse“: ältere Wehrmachtssoldaten und Marine-Angehörige

Für die Bewachung des Kommandos griff man auf ältere Militär- und Marineangehörige zurück, die für den Frontdienst nicht mehr tauglich erschienen. Über sie wird berichtet, dass sie gegenüber den Häftlingen weniger hart auftraten. Die meisten Mißhandlungen und Übergriffe auf die Häftlinge wurden von den Kapos begangen – Häftlinge, die für ihre Antreibertätigkeit gewisse Vergünstigungen erhielten. Sie erhielten bessere Verpflegung und schliefen von den anderen Häftlingen getrennt.

Viele Häftlinge überlebten die Strapazen, die schwere Arbeit auf der Baustelle bei völlig unzureichender Ernährung nicht. Nach einem Bericht des französischen Häftlings und Offiziers, Brunet, wurden die Toten von der Baustelle ins Lager zurückgebracht. Ab und zu kam in der Frühe ein Fuhrmann mit einem Pferd und einem vierrädrigen Karren und brachte die Gestorbenen weg.

Einweihung des Mahnmals für die KZ-Gefangenen neben den Hochöfen auf dem Gelände des Stahlwerks in Anwesenheit ehemaliger Häftlinge. Links Edmond-Gabriel-Desprat, rechts André Migdal.

Die Geschichte des Kommandos „Hornisse“ hat in den 1980er Jahren eine Gruppe von Kollegen der Stahlwerke aufgearbeitet. Sie kamen in Kontakt mit französischen Überlebenden des Kommandos. Ihre Berichte lieferten das Material für das Buch „Bunker ‚Hornisse‘“. Auf ihre Anregung wurde auf der damaligen Klöckner-Hütte an der Stelle des ehemaligen KZ-Außenlagers eine Tafel angebracht, die an das Schicksal der Häftlinge erinnert.

Das Gelände des Bunkers Hornisse ging per Staatsvertrag in Bremischen Besitz. Im zuständigen Hafenbauamt grübelte man Jahre lang, was mit dem Betonklotz passieren sollte. Pläne, ihn abzureißen, scheiterten an den Kosten. Ebenso das Vorhaben, das ehemalige Dock in einen Hafen für Binnenschiffe umzubauen. So war man schließlich froh, dass die Spedition den ehemaligen Bunker übernahm, um darauf ihr Verwaltungsgebäude zu errichten.

Das Lager Riespott diente zunächst als Aufnahme für Flüchtlinge aus dem Osten. 1947 sperrte man darin ehemalige hohe Nazis, darunter 30 Beamte der Bremer Gestapo ein. Danach brachte die Stadt Bremen Sinti und Roma im Lager unter – ein besonders unrühmliches Kapitel der Lagergeschichte. 1954 kaufte schließlich der Duisburger Stahlkonzern Klöckner das Gelände, zusammen mit den noch bestehenden Anlagen der Norddeutschen Hütte, um dort moderne Produktionsanlagen zu errichten. Das ehemalige Lager Riespott wurde dabei unter den Sandmassen begraben. 

 

Ein großer Dank geht an Eike Hemmer für die Zusammenstellung der Texte, der Bilder und die Umsetzung der Führung.

Einen herzlichen Dank an Firma LESCHACO für die Ermöglichung der Ortsbesichtigung und an den Heimatverein Damme für das entgegengebrachte Vertrauen.

Alle historischen Aufnahmen sind aus dem Fundus der Kollegengruppe, die in den Jahren ab 1983 die Vergangenheit ihres Werkes aufarbeitete. Eine ausführlichere Darstellung enthält das Buch von Eike Hemmer, Robert Milbradt. Bunker „Hornisse“ KZ-Häftlinge in Bremen und die U-Boot-Werft der „AG Weser“ 1944/45. Donat Verlag 2005.

Über die Fassmacherei Krogemann berichteten wir im Januaer 2018 auf der Webseite made-in-gröpelingen.de: https://made-in-groepelingen.de/fassfabrik-krogemann/