Andreas Rust bleibt entspannt. Kaum ist seine Ausstellung „Tanzende Musen in Zeiten der Corona“ eröffnet, muss sie auch schon wieder schließen. Hohe Inzidenz-Zahlen, Corona-Notbremse. „Das ist nun mal so,“ meint er, „mir geht’s gut.“ Und es passt ja auch zum Thema: eine Ausstellung in Pandemie-Zeiten über die Corona-Pandemie. Da verschwimmen die Grenzen zwischen Kunst und Alltag. Ist das Desinfektionsmittel im Eingang Hygieneauflage oder Ausstellungsobjekt?
Vor über einem Jahr begann Andreas Rust seine Corona-Studien. Er begab sich freiwillig in Quarantäne, skizzierte und las, entwickelte Ideen. Auf Spaziergängen und Fahrradtouren durch Gröpelingen und das Hafenrevier ging er auf Motivsuche. Er fotografierte, wie sich Licht und rostige Spundwände im Wasser spiegeln, besuchte immer wieder seinen Lieblingsort, die Vogelinsel an der Waterfront. Aber Ruhe und Einsamkeit sind nur eine Seite der Medaille. Denn hinzu kommt das Virus: aggressiv, irritierend, unverkennbar in Form und Farbe. Es legt sich als Folie über die Gemälde, klebt als drohender Schatten im Hintergrund.
Andreas Rust arbeitet mit Mischtechniken. Malerei, Fotografie, Skulptur. Kreide, Acryl, Buntstift, Graffiti. Kein Bild, in dem er nicht unterschiedliche Techniken und Materialien kombiniert. Entstanden sind 26 Positionen zum Thema Corona. Ein Zyklus von zwölf Bildern befasst sich mit Musen, Masken und dem Stadtteil. „Täglicher Zahlentanz“ – die Silhouette einer Balletttänzerin erinnert an die gefleckte Landkarte der Inzidenzwerte. Auf den Kinowänden der verschneiten Waterfront kleben Bilder von Traumstränden. Der Brand eines Holzlagers im Hafen mutiert zum apokalyptischen Inferno mit fliegenden Fabelwesen. Dazu zeigt die Ausstellung Einzelwerke: großformatige Zeichnungen, Schablonen-Graffitis, Schaufensterpuppen und sogar eine Sandsteinskulptur. Natürlich sind auch Collagen der sogenannten Corona-Demos zu finden. Fotos von Menschen, die hinter eigenartigen Parolen herlaufen, Kreuze vor sich tragen. Bildtitel: Die Gedanken sind Brei. Ähnliche Erfahrungen machte Rust im eigenen Bekanntenkreis: „Da sind Leute auf einmal komplett abgedriftet.“
Die in der Ausstellung gezeigten Bilder entstanden nur wenige Räume weiter. Andreas Rust hat sein Atelier im Roten Hahn. Nach vielen Lebensstationen in verschiedenen Städten und Ländern zog der pensionierte Kunstlehrer 2016 nach Bremen-Gröpelingen. Zufällig, weil er dort eine Wohnung fand. Bewusst, weil ihm das Umfeld gefiel. Die Gegend ist inspirierend für jemanden, der seine Jugend im Iran verbrachte und danach immer wieder auf Weltreise ging. Und bei einer Kunstaktion im Stadtteil lernte er sogar seine jetzige Lebensgefährtin kennen, die auf vielen Musenbilder abgebildet ist.
Die Ausstellung „Tanzende Musen in Zeiten der Corona“ ist in der Galerie im Atelierhaus Roter Hahn, Gröpelinger Heerstraße 226, 28237 Bremen zu sehen.
Ausstellungszeitraum: 22. April bis 18. Juni 2021. Die Galerie war pandemiebedingt zeitweise geschlossen.
Terminvereinbarungen sind seit dem 17. Mai 2021 wieder möglich.
Unter andy-rust@web.de können Sie den Künstler kontaktieren.
Darüber hinaus stellt der Künstler seine Ausstellung an dieser Stelle auch digital für alle zur Verfügung: