Illustration: Yannick Breuer*

Die Ruine

Bewohner:innen aus dem Liegnitzquartier sind aktiv geworden, um endlich eine Lösung für eine alte Bauruine zu finden. Andreas Lieberg, Mitinitiator von verschiedenen Protestaktionen meint: „Die Ruine ist ein Schandfleck für unser Quartier.“

 

Hans Koschnick (1929-2016), der berühmte Bremer Bürgermeister, war 5 Jahre alt, als seine Mutter von den Nationalsozialisten verhaftet wurde, weil sie für verschiedene Widerstandsgruppen Kurierdienste übernahm. Sein Vater war bereits kurz vorher bei der Machtübernahme der NSDAP verhaftet und ins KZ Sachsenhausen gebracht worden. Als Funktionär der Revolutionären Gewerkschafts-Opposition (RGO) war er den Nazis besonders verhasst. Der 5jährige Hans wuchs fortan bei seinen Großeltern Heinrich und Friederike Klusmeier – ebenfalls überzeugte Antifaschist:innen – auf der Geesstraße 134 in Gröpelingen auf, wo neben seinen Großeltern auch seine Tante mit ihren drei Kindern wohnte. Das Mehrfamilienhaus, gebaut vermutlich um 1900, beherbergte im Erdgeschoss eine Bäckerei, oben wohnten die Familien.

 

Heute ist das geschichtsträchtige Gebäude eine Ruine, um die sich seit mehr als dreißig Jahren niemand mehr zu kümmern scheint. In den 1980er Jahren begann der damalige Eigentümer mit der Aufstockung des Gebäudes. Ein Brand auf der Baustelle brachte die Arbeiten zum Erliegen. Seitdem verfällt das Gebäude und ist heute vermutlich eine nicht reparable Ruine – und das in einem Stadtteil, in dem dringend Wohnraum benötigt wird. Seitdem der Platz vor dem Haus mit der uralten, herrlichen Rotbuche saniert ist, fällt die markante Ruine noch mehr auf.

 

Sämtliche Versuche der Stadt, gemeinsam mit dem Eigentümer des Gebäudes eine Lösung zu finden, blieben bisher erfolglos.

Wie heißt es in Artikel 14 des Grundgesetzes? „Eigentum verpflichtet“. Dieser Artikel garantiert zwar das Privateigentum, verpflichtet den Eigentümer aber auch, den Gebrauch am Wohle der Allgemeinheit auszurichten. Geschieht dies nicht, muss der Staat eingreifen.

 

Seit 2021 hängt ein kleines Hinweisschild auf Hans Koschnick am Bauzaun. Es wäre im Sinne Koschnicks, wenn hier am Ort seiner Kindheit, etwas Neues zukunftsweisendes entstehen würde: Ein modernes Studentenwohnheim, ein genossenschaftliches generationenübergreifendes Wohnprojekt oder ein moderner Bildungs- und Arbeitsort zur Geschichte des antifaschistischen Widerstands im Bremer Westen. Die Adresse „Am Willy Hundertmark Platz“ würde schon einmal gut passen.   

 

Ein Text von Lutz Liffers

 

Link zur Petition: Rückbau einer Bauruine

 

*Bei seinen Streifzügen durch Gröpelingen zeichnet Yannick Breuer (*1995, Bremen) die widersprüchlichen Szenen dieses Quartiers: Wunderschöne urbane Orte und ein ungelöstes Müllproblem. Yannick Breuer studiert Illustration an der Hochschule für Künste Bremen. In seinen Arbeiten bewegt er sich oft an der Schnittstelle zwischen dem Banalen und dem Fantastischen. In seiner Abschlussarbeit nimmt er die Betrachter mit auf einen zeichnerischen Streifzug durch Gröpelingen und sucht insbesondere nach der Eigendynamik und Kraft jener Orte, die normalerweise wenig Aufmerksamkeit erhalten.