„Die“ syrische Community gibt es nicht

Wir redeten mit Jasmina Heritani über Ursachen für Migration und Flucht aus dem historisch geprägten Syrien, die  kulturelle Vielfalt des Landes  und wie sie in Bremen weiterlebt.

Sie ist vieles:  Studierte Wirtschaftsarabistikerin, Germanistin und angehende Doktorin. Mutter, Ehefrau, Leiterin eines Kulturvereins. Heute sieht sie sich als Gröpelingerin, aber auch irgendwo als eines: Syrerin.

Wie divers eine syrische Identität sein kann, verdeutlichte Jasmina Heritani im gemeinsamen Gespräch in der Stadtbibliothek West im Rahmen der Reihe „Reden wir mit…“ des Vereins Kultur Vor Ort.  Ziel der Dialogreihe ist ein  communityübergreifender Diskurs innerhalb des Stadtteils über die Themen Arbeit, Kultur und Bildung.  Frau Heritani vereinte unter der Moderation von Ole Hilbrich gleich alle drei.

Ihre frühe Kindheit verbrachte sie in Hamm/ NRW, zur Schule ging sie in Syrien. Zurück in Deutschland folgte ihr Abitur mit anschließendem Studium in Bremen, darauf ein längerer Aufenthalt in Alexandria, außerdem ein Praxisjahr im deutschen Konsulat in Syrien. Mit dieser bikulturellen Lebenserfahrung erscheint ihr Vorsitz des von ihr letzten Jahr gegründeten syrischen Exilkulturvereins in Bremen, SEKu,  naheliegend. Der junge Verein plant für den August bereits das zweite Funun-Festival, welches  Kunst und Kultur aus dem Mittelmeerland in der Hansestadt eine Bühne bietet und auch ein wenig zum Nachdenken anregen möchte.

Syrerinnen und Syrer teilen eine geographische Komponente. In ihren Glaubensrichtungen unterscheiden sie sich jedoch stark; in Aleppo etwa leben unter anderem Vertreterinnen aller drei großen monotheistischen Religionen. Ebenso ungleich verhalten sich die politischen Ansichten der in Syrien Lebenden. Auch im Exil treffen diese Überzeugungen aufeinander. Durch Kultur, beispielsweise das Funun-Festival, sollen und können so verschieden gesinnte Menschen dennoch zusammenfinden, so Jasmina Heritani.

Waren es in den vergangenen Jahrzehnten überwiegend Studierende oder intellektuelle politisch Verfolgte,  die aus Syrien nach Deutschland kamen, sind es heute Menschen aus allen Bildungs- und Gesellschaftsschichten, zumeist auf der Flucht vor Krieg und Katastrophen und der Suche nach einer gesicherten Zukunft der eigenen Kinder. Die flüchtenden zerreißen ihre Familien und trennen sich von ihrer beruflichen Karriere im eigenen Land, denn in vielen Fällen, allem voran in akademischen Berufen, ist eine Anerkennung syrischer Abschlüsse kompliziert. Für einige Lehrerinnen und Lehrer jedoch bietet sich nun eine Chance: Jasmina Heritanis Projekt „Syrische Lehrer an Bremer Schulen“ bringt in Kooperation mit der Uni Göttingen einige Qualifizierte zunächst in Vertretungs- und Co-Teacherpositionen, um sie am Ende vielleicht sogar zu vollständig anerkannten Lehrenden zu machen. Die Wege dorthin sind von vielerlei Hürden gezeichnet, weiß die SEKu-Vorsitzende, doch sie hat große Pläne, wie sich das deutsche Bildungssystem künftig öffnen könnte.